Unterschätzt, vernachlässigt, wertvoll

Der gute Ruf

Eine hohe Reputation entwickelt sich zum wichtigsten immateriellen Vermögenswert von Organisationen. Warum? Was folgt daraus? Wie kann eine Organisation ihre Reputation positiv beeinflussen? Mit welchen Tools? Hier lesen Sie die Antworten.

Von Collin Scholz, Pilot:Projekt GmbH

Die Reputation, der gute Ruf einer Organisation oder Person, resultiert aus dem Urteil der Öffentlichkeit. Dieses Urteil ist nicht differenziert, sondern holzschnittartig: Die Reputation ist entweder gut/positiv oder schlecht/negativ.

Reputation ist ein Gesamturteil, das aus vielen Einzelurteilen hervorgeht. Die sind zumeist stark subjektiv eingefärbt und basieren nicht auf Detailwissen über die Organisation. Denn was wissen Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich über Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen sie kaufen – sofern sie nicht selbst für das Unternehmen tätig sind? Oft sind es nur flüchtige Eindrücke. Es gilt: Wo Wissen fehlt, tritt Vertrauen an seine Stelle.

Eine hohe Reputation signalisiert Vertrauenswürdigkeit

Reputation gilt als Maßeinheit für den Grad des Vertrauens, den Menschen einer Organisation entgegenbringen. Eine hohe Reputation signalisiert demnach ein großes Vertrauen von Teil-Öffentlichkeiten in eine Organisation.

Was folgt daraus? Eine Reihe interessanter Fragen:

  • Kann man Reputation messen?
  • Warum steigt aktuell der Stellenwert der Reputation?
  • Wie kann eine Organisation ihre Reputation positiv beeinflussen?
  • Welche Tools bilden ein wirkungsvolles Reputationsmanagement?

Kann man Reputation messen?

Ja. Zwar gehört die Reputation zu den immateriellen Vermögenswerten, doch lässt sich ihr Wert ermitteln. Zum Beispiel mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI). Ein Beispiel ist die Studie Höchste Reputation, die das Hamburger Institut für Management- und Wirtschaftsforschung IMWF im Jahr 2020 veröffentlichte. Mit einer KI-gestützten Social-Listening-Analyse ermittelte das Institut auf Basis von rund 30 Millionen ausgewerteten Aussagen aus dem Web die Reputation der 5.000 größten Unternehmen in Deutschland.

(https://www.pr-journal.de/lese-tipps/studien/25250-studie-untersucht-reputationsmanagement-von-unternehmen.html)

Eine Alternative besteht in der Analyse unternehmensrelevanter Kennziffern: Performance- und Entwicklungszahlen, die Zahl der Innovationen, Klickraten, Likes, Anzahl und Tenor der Medienberichte sowie weitere Kennzahlen. Dazu gehört der Net Promoter Score (NPS), der Hinweise auf die Kundenzufriedenheit und den Erfolg eines Unternehmens geben soll. Oder die Employee Value Proposition (EVP) als Summe sämtlicher Vorzüge, die eine Firma als Arbeitgeber attraktiv erscheinen lässt.

Salopp gesagt gilt: Je besser die Zahlen, desto erfolgreicher agiert das Unternehmen – und desto höher ist seine Reputation – und umgekehrt.

Eine dritte Methode besteht in der Nachfrage bei spezialisierten Versicherungen, ob und zu welchen Konditionen sie Reputationsschäden versichern würden. Eine Ablehnung oder eine hohe Prämie signalisieren einen zumindest zweifelhaften Ruf.

(https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-thema/reputation-2019/ist-der-ruf-erst-ruiniert)

Warum steigt aktuell der Stellenwert der Reputation?

Das Risiko einer Rufschädigung zählt zu den größten Risiken eines Unternehmens. Das belegten bereits vor etlichen Jahren Studien wie The Economist Intelligence Unit: Risk of risks.(2005) oder Ernst & Young: Business Risk Report. Die 10 größten Unternehmensrisiken (2009). Dieses Risiko wächst in dem Maße, wie moderne Informationstechnologien und soziale Netzwerke es ermöglichen, binnen weniger Minuten weltweit Negativmeldungen über ein Unternehmen zu verbreiten. Unabhängig davon, ob es sich um eine seriöse Nachricht oder Fake-News handelt.

Positive Urteile von Kunden und anderen Stakeholdern einer Organisation tragen entscheidend zu ihrer Reputation bei

Ein guter Ruf ist in mehrerer Hinsicht wichtig für eine Organisation:

  • Im Falle einer Krise sorgt er oft dafür, dass sie nicht sogleich vorverurteilt wird, sondern die Möglichkeit erhält, sich zu äußern.
  • Ein guter Ruf fördert den (wirtschaftlichen) Erfolg und sichert die Existenz der Organisation.

Dieser Aspekt wird künftig noch wichtiger. Denn wir befinden wir uns in einer Phase, in der sich wichtige Bereiche unseres Lebens erheblich wandeln. Auslöser dieses Prozesses sind unter anderem

  • Bedrohungen wie die COVID-19-Pandemie und der Klimawandel sowie
  • technische Entwicklungen wie die Digitalisierung und die damit verknüpfte Neugestaltung u.a. der Arbeitswelt und des Bildungssystems,

Ebenso wichtig ist der Trend, dass immer mehr Menschen darauf achten, dass Unternehmen über ihren Geschäftszweck hinaus zusätzliche Leistungen für die Gesellschaft bzw. das Gemeinwohl erbringen.

Diese Entwicklung zeigt Wirkung. So definierten in den USA die Mitglieder des Business Roundtable - bestehend aus den CEOs einiger der größten US-Unternehmen - im August 2019 den Zweck (Purpose) eines Unternehmens neu mit dem Ziel, „eine Wirtschaft zu fördern, die allen Amerikanern dient".

Im Februar 2021 skizziert Larry Fink, Chairman und CEO der US-amerikanischen Investmentgesellschaft BlackRock in seinem Annual Letter die Weiterentwicklung vom Shareholder primacy model of profit maximization zu einem integrated profits & purpose-Stakeholder-Value-approach. Dieser Trend könnte zum Beispiel dazu führen, dass Unternehmen künftig ihren Nachhaltigkeitsbericht um das Kapitel Purpose und Reputation erweitern.

Damit gelangen wir zum Zusammenhang zwischen Reputation und Purpose:

Wenn der Corporate Purpose den Mehrwert-Beitrag definiert, den eine Organisation für seine Stakeholder (bzw. die Gesellschaft / das Gemeinwohl) erbringen soll, dann erhöhen die Maßnahmen, die realisiert werden müssen, um diesen Purpose zu erfüllen, die Reputation der Organisation.

Und die wird immer wichtiger, je sensibler Stakeholder auf das Verhalten von Organisationen gegenüber Mitarbeiter*innen, Konsument*innen, der Umwelt und dem Tierwohl achten, um vier relevante Bereiche zu nennen. Und die Verfehlungen sanktionieren, indem sie sich von der Organisation abwenden.

Aus diesen Gründen entwickelt die hohe Reputation sich zum wichtigsten immateriellen Vermögenswert von Organisationen. Das spiegelt sich auch darin, dass insbesondere in größeren Unternehmen langsam, aber stetig die Zahl der Reputations-Manager*innen bzw. Chief Reputation Officer (CRO) wächst.

Wie kann eine Organisation ihre Reputation positiv beeinflussen?

Einen guten Ruf erzielt, wer kontinuierlich Maßnahmen realisiert und damit Ergebnisse erzielt, die den Anforderungen seiner Stakeholder entsprechen. Oder die von ihnen positiv bewertet werden, obwohl nicht zum Geschäftsbereich gehören.

Zudem müssen die Maßnahmen und deren Ergebnisse kontinuierlich und wirkungsvoll kommuniziert werden. Die Analyse der Stakeholder-Erwartungen führte in der Reputations-Theorie zu folgender Annahme: Ein positives Urteil basiert darauf, dass Stakeholder eine Organisation in drei Teilbereichen positiv wahrnehmen:

Ein Unternehmen bzw. ein Branchenverband genießt eine hohe Reputation, wenn seine Verantwortlichen nach Meinung seiner Stakeholder

  • kompetent, klug und erfolgreich im Markt agieren,
  • sich moralisch einwandfrei verhalten und
  • gestaltungskräftig wirken sowie authentisch und sympathisch auftreten.

Für Unternehmen und Verbände gibt es mehrere Handlungsfelder, in denen sie kontinuierlich Maßnahmen realisieren und positive Ergebnisse erzielen können. Typische Handlungsfelder sind:

In diesen Feldern gilt es, durch geeignete Maßnahmen Realitäten zu schaffen, welche die Kommunikationsabteilung mit größtmöglicher Wirkung vermittelt.

Welche Tools bilden ein wirkungsvolles Reputationsmanagement?

Ein zeitgemäßes Reputationsmanagement nutzt diverse Instrumente, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Ich belasse es hier bei rudimentären Hinweisen.

Die Instrumente des Reputationsmanagements

Themenmanagement: Die Organisation muss Themenfelder besetzen und Themen platzieren, die das Interesse der Stakeholder wecken. Dies sind Themen, die a) der Organisation wichtig sind, b) einzelne Stakeholder-Gruppen für relevant erachten sowie c) aktuell auf der öffentlichen Agenda ganz oben angesiedelt sind.

Themenbasierte strategische Kommunikation: Rezipienten suchen oft nicht nach bestimmten Unternehmen oder Produkten, sondern nach Lösungen für ein konkretes Problem. Es ist daher für eine Organisation wichtig, sich mit den relevanten Themen zu positionieren, die Probleme ihrer Stakeholder-Gruppen adressieren.

Storytelling: Richtig gehandhabt, hebt dieses Instrument Beiträge aus der Flut an Informationsangeboten heraus und weckt Aufmerksamkeit. Dabei rücken bei den Stories aber nicht Produkte und Services ins Zentrum. Dort stehen vielmehr die Stakeholder-Orientierung, Lösungen, Werte, Verantwortung.

Datenanalyse: Sie soll helfen, die Stakeholder, deren Erwartungen sowie deren Mediennutzung zu kennen, um daraufhin die Kommunikationsmaßnahmen auf strategischer und operationaler Ebene optimal darauf abstimmen zu können.

Thought Leadership: Meinungsführende gelten als Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet. Neben iher Fachkompetenz tragen die strategische Positionierung und die Zukunftsgestaltung einer Organisation zur Thought Leadership bei. Wichtig: Thought Leader erlangen Aufmerksamkeit durch Wissenstransfer ohne werblichen Hintergrund, zum Beispiel durch Fachartikel, Whitepaper und Fallstudien.

CEO-Profiling: Menschen interessieren sich für Menschen. Daher empfiehlt es sich, die Person an der Spitze der Organisation zu profilieren: als Visionärin/Visionär, Bewahrerin/Bewahrer, Topmanagerin/Topmanager, Teamplayerin/Teamplayer, Strategin/Stratege oder Bürgerin/Bürger mit ausgeprägtem Gemeinsinn.

Public Affairs Management: Es besteht aus vier Teilbereichen. Die Politikkommunikation kommuniziert mit politischen und gesellschaftlichen Gruppen, die Einfluss auf organisationsrelevante Entscheidungen haben. Die Government Relations pflegt Beziehungen zu Regierungseinrichtungen auf unterschiedlicher Ebene. Beim Lobbying versucht die Organisation gezielt, politische Enscheiderinnen und Entscheider in ihrem Sinne zu beeinflussen. Beim Agenda-Setting versucht die Organisation, für sie wichtige Themen im gesellschaftlichen Raum zu platzieren.

Abschließend: Welche Rolle spielt die Kommunikationsabteilung?

Beim Reputationsmanagement fallen der Kommunikationsabteilung zwei wichtige Funktionen zu. Zum einen gleicht sie permanent das Organisationsprofil (das Selbstbild der Organisation) mit der Organisationsidentität ab (dem Bild, dass die Öffentlichkeit von der Organisation hat). Daraufhin versucht sie, eine möglichst hohe Übereinstimmung auszuhandeln.

Zum anderen muss die Abteilung die Kommunikationsmaßnahmen und deren Inhalte so gestalten, dass sie Rezipientinnen und Rezipienten glaubwürdig erscheinen und akzeptiert werden. Nicht gefragt ist eine Marketing-Kommunikation, die behauptet, aber nichts beweist. Und die zu überreden versucht, statt zu überzeugen.

Viel Erfolg bei der Pflege einer hohen Reputation!

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